Ein kleiner Baumwollfaden

Es war einmal ein kleiner Baumwollfaden, der hatte Angst, dass er nicht ausreicht, so, wie er war: "Für ein Schifftau bin ich viel zu schwach", sagte er sich, "und für einen Pullover zu kurz. An andere anzuknüpfen, habe ich viel zu viele Hemmungen. Für eine Stickerei eigne ich mich auch nicht, dazu bin ich zu blass und farblos. Es reicht einfach nicht! Was kann ich schon? Niemand braucht mich. Niemand mag mich - und ich mich selbst am wenigsten."
So sprach der kleine Baumwollfaden, legte traurige Musik auf und fühlte sich ganz niedergeschlagen in seinem Selbstmitleid.

Währendessen läuft draussen in der kalten Nach ein Klümpchen Wachs in der beängstigenden Dunkelheit verzweifelt umher. "Für eine dicke Weihnachtskerze bin ich viel zu klein" jammert es "und wärmen kann ich kleines Ding alleine auch niemand. Um Schmuck für eine tolle grosse Kerze zu sein, bin ich zu langweilig. Ach was soll ich denn nur tun, so alleine in der Dunkelheit?"

Da kommt das kleine Klümpchen Wachs am Häuschen des Baumwollfadens vorbei. Und da es so sehr fror und seine Angst riesig war, klopfte es schüchtern an die Türe. Als es den niedergeschlagenen kleinen Baumwollfaden sah, kam ihm ein wunderschöner Gedanke. Eifrig sagte das Wachs: " Lass dich doch nicht so hängen, du Baumwollfaden. Ich hab' da eine Idee: Wir beide tun uns zusammen. Für eine grosse Weihnachtskerze bist du zwar als Docht zu kurz und ich hab' dafür nicht genug Wachs, aber für ein Teelicht reicht es allemal. Es ist doch viel besser, ein kleines Licht anzuzünden, als immer nur über die Dunkelheit zu jammern!"

Ein kleines Lächeln huschte über das Gesicht des Baumwollfadens und er wurde plötzlich ganz glücklich. Er tat sich mit dem Klümpchen Wachs zusammen und sagte: "Nun hat mein Dasein doch einen Sinn."

Wer weiss, vielleicht gibt es in der Welt noch mehr kurze Baumwollfäden und kleine Wachsklümpchen, die sich zusammentun könnten, um der Welt zu leuchten?

 

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Freundlichkeit ist eine Sprache, die Taube hören und Blinde lesen können.

Mark Twain